Über die Bilder
Malerin Ute Meyer-Kolditz
Von Theodor Lessing stammt der Satz: "Denken ist eine Funktion der Not." Er bezog sich auf die
Philosophie. Denken kennt unterschiedliche Muster, es kann auch durch Bilder stattfinden. Das
bildhafte Denken kann hinter die vorherrschende Sicht führen, es kann neue Zusammenhänge erschließen,
neue Welten vorstellbar machen.
Das bildhafte Denken experimentiert in einer Fülle von Methoden, Traditionen und Erfahrungsmustern.
Die Malerin Ute Meyer-Kolditz knüpft an eine Schule ausgeprägter handwerklicher Könnerschaft
und einen ironischen Bildbegriff an.
Die Weiterentwicklung dieser Tradition bedeutet,
sich gegen vorherrschende Strömungen in der Gegenwartsmalerei zu stellen. Der Mut einer solchen
Malerei besteht nicht nur im Beharren auf einem eigenen traditionsbezogenen Weg. Vielmehr setzt
sich diese Malerei auch dem fortwährenden Vergleich mit der surrealistischen Tradition aus. Dieses
Wagnis geht die Malerin ein, weil sie einen Ausgangspunkt für das weiterführende bildhafte
Denken anbieten möchte: die vermeintliche Gewißheit der uns umgebenden Realität.
Diese Gewißheit wird in Frage gestellt. Die Weiterentwicklung dahinterliegender Sichtweisen und
Realitäten bleibt jedoch offen. Der Betrachter wandert in eigene neue Landschaften hinaus, die
Denkmale, die ihn umgeben, signalisieren tiefgreifende Veränderungen einer Realität, die nur auf
einem eigenen inneren Weg durch jeden Betrachter, jedesmal in neuer Weise, erschlossen werden kann.
Angeboten wird jedoch keine Reise in beliebige innere Lebenswelten. Vielmehr erschließt sich mit
jeder neuen Ebene von Realität, die auf dem Weg des Betrachtens erfahrbar wird, ein neues Moment
zusätzlicher Fragwürdigkeit in jeweils realistischen Zusammenhängen. Aufgehoben wird die Gewißheit
überhaupt von Realität. Aufgehoben wird zugleich auch die Fluchtmöglichkeit der Phantasie. Die
akribisch handwerkliche Tradition, in der Ute Meyer-Kolditz arbeitet,vermittelt auf allen Ebenen
einer immer tieferreichenden Betrachtung, daß in unserer Welt Phantasie gefangen bleibt, daß sie
unter dem Druck eines Realitätsprozesses steht, der einen Ausweg nur zuläßt, indem neue partikelhafte
Zusammensetzungen erfolgen. Gerade die traditionsbezogene Arbeitsweise offenbart mithin das
grundlegende Defizit unserer modernen, technisch geprägten menschlichen Natur.
Landschaften werden deswegen zerstört, weil eine elementare Gewißheit vom Wunder Natur fehlt und
ersetzt ist durch jeweils gültige Realitäten mit jeweils eigenem Ziel und Sinn. Wie läßt sich
"Wunder" und die damit einhergehende Erfahrungsweise für eine notwendige Vergewisserung menschlicher
Natur zurückgewinnen? Um diese Frage kreist das Werk der Malerin.
Prof. Dr. Gerd G. Kopper
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